Der Erste Weltkrieg, diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, fand von Anfang an gewichtigen Niederschlag in der Literatur; bereits die zeitgenössischen Künstler, von denen viele persönlich an der Front standen, wollten Zeugnis ablegen von dem in dieser Form nie zuvor dagewesenen ‚industrialisierten‘ Töten, das in ganz Europa viele Millionen an Menschenopfern forderte. Zu Beginn stand dabei noch einzig das Leid der kämpfenden Soldaten im Mittelpunkt, sei es aus einer eher heroisierenden, den Krieg ästhetisierenden Perspektive wie in Ernst Jüngers In Stahlgewittern, sei es aus einer pazifistischen, die Absurdität des Krieges aufzeigenden Haltung wie in Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues. Erst später fiel der Blick der Literaten und Historiker auch auf die sogenannte ‚Heimatfront‘, d.h. auf die durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogenen Zivilisten; besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei in den letzten Jahren die Situation der Frauen, die in allen am Krieg beteiligten Ländern die zuhause fehlenden Männer an ihren Arbeitsplätzen ersetzen mussten. Dem belgischen Dramatiker Jean-François Viot, der bereits zuvor mehrfach erfolgreich historische Stoffe auf die Bühne gebracht hatte, gelang es 2014 mit dem anlässlich des hundertjährigen Gedenkens des Kriegsausbruchs verfassten Stück Lettres à Élise auf bewundernswerte und menschlich ansprechende Weise, die beiden Blickwinkel in einem imaginären Dialog zu vereinen. In dem Briefwechsel zwischen dem Volksschullehrer Jean Martin, der aus einem kleinen Dorf in der Auvergne in den Krieg ziehen muss, und seiner zuhause auf ihn wartenden Frau Élise spiegelt sich auf einer privaten, emotionalen Ebene die ganze Tragik der Kriegsjahre. Die szenische Lesung am Stadttheater Aschaffenburg der Briefe an Élise (Übersetzung aus dem Französischen: Thomas Stauder) ist die deutschsprachige Erstaufführung dieses mit einem belgischen Parlamentspreis ausgezeichneten Stückes.
REGIE Heinz Kirchner
mit Sabine Grant-Siedel & Albrecht Sylla
VIOLONCELLO Lisa Gerlach
BILDER Rainer Wohlfahrt | "Ceux de Verdun"
Bühne 2 | Samstag, 28. November | 20 Uhr